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Gruppenphasen

Einleitung

In allen Gruppen ►​mehr herrscht Dynamik, das heißt Bewegung und Wirkungszusammenhänge. Jedes einzelne Mitglied wirkt auf das Gruppengeschehen ein und das Gruppengeschehen hat wiederum Auswirkungen auf die einzelnen Mitglieder in dieser Gruppe.

Gruppen, die über einen gewissen Zeitraum zusammen sind und gemeinsam etwas tun und erleben, durchlaufen dabei verschiedene Phasen. Diese Phasen sind Idealtypen, sie verlaufen nie identisch, und doch durchläuft jede Gruppe die fünf Phasen auf irgendeine Art und Weise. Manchmal überspringt eine Gruppe eine der Phasen auch oder fällt wieder in eine Phase zurück, die sie bereits durchlebt hat. Im Großen und Ganzen macht sie aber folgenden Prozess durch:

Wenn du dir als GruppenleiterIn über diese Phasen im Klaren bist, kannst du bewusst das Gruppengeschehen beobachten, Situationen besser einschätzen und dein Leitungsverhalten oder zum Beispiel die Spielauswahl darauf abstimmen. Denn je nachdem, in welcher Phase die Gruppe sich gerade befindet, braucht sie mehr oder weniger (An-)Leitung und Unterstützung durch dich – und dir hilft das Wissen dabei, mit Schwierigkeiten oder Konflikten gelassener umzugehen.

  • Wenn du z.B. merkst, dass die Gruppe aktuell schnell streitet und nicht so harmonisch ist wie noch ein paar Wochen zuvor, ist sie vermutlich (noch einmal) in der Machtkampfphase und muss die Rollen jedes Einzelnen klären. Wenn du bedacht damit umgehst, kannst du sie in ihrem Prozess voranbringen, so dass sie dann auch (wieder) ausgeglichener und respektvoller miteinander umgehen und gemeinsam ein neues, tolles Projekt durchführen wollen.

Bedenke dabei, dass die Gruppe sich dieser Gruppenphasen in aller Regel gar nicht bewusst ist bzw. so mit sich selbst beschäftigt ist, dass sie gar nicht darüber nachdenkt. Das ist dein Wissensvorsprung als LeiterIn und als diejenige/derjenige, die/der auch mal die Perspektive wechselt und „von außen“ auf die Gruppe schaut. Erwarte also nicht, dass die Gruppe bemerkt, an welcher Stelle im Prozess sie gerade steht, sondern mach dir als Leitung diesen Wissensvorsprung/Perspektivwechsel zum Vorteil, indem du entsprechend handelst/leitest.

In der Umgangssprache wird der Begriff „Gruppe“ sehr unterschiedlich verwendet, daher möchten wir euch hier ein paar Kriterien vorstellen, die eine Gruppe im Sinne einer Jugendgruppe ausmachen:

  • Eine Gruppe besteht – natürlich – aus mehreren Personen, die miteinander im Kontakt stehen/interagieren und nicht nur zufällig am selben Ort sind.
  • Eine Gruppe hat Normen, die das erwartete Verhalten beschreiben und regulieren (LINK: Regeln in Gruppen)
  • Die einzelnen Mitglieder einer Gruppe haben unterschiedliche Rollen und Funktionen innerhalb dieser Gruppe (LINK: Rollen in Gruppen)
  • Es existieren Grenzen nach außen, so dass für alle Mitglieder klar ist, wer Mitglied der Gruppe ist und wer nicht.
  • Dabei können sich Gruppen über die Zeit verändern, bedürfen aber einer gewissen Stabilität, damit man von „Gruppe“ sprechen kann.
  • Gruppen haben eine gemeinsame Identität, die sie ausmacht und durch die sie sich von anderen Gruppen unterscheiden.

Diese Merkmale können je nach Gruppe unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Dadurch unterscheiden sich Gruppen aber von bloßen „Ansammlungen von Menschen“ (wie z.B. wartenden Menschen an der Bushaltestelle).

Charakteristisch für Gruppen ist, dass ihre Mitglieder, also die Personen, im Fokus stehen. Zwar verfolgt eine Gruppe auch eine gemeinsame Aufgabe; sie wird aber nicht für diese Aufgabe geschaffen, so dass sie auch bestehen bleibt, wenn die Aufgabe erledigt ist und sich dann mitunter eine neue Aufgabe sucht (vgl. Kozlowski, S. W.; Bell, B. S.; 2003).

Orientierungsphase

In der Orientierungs- oder auch Anfangsphase lernt die Gruppe sich (neu) kennen.

  • Entweder kommt die Gruppe ganz neu zusammen, z.B. zu Beginn einer Ferienfreizeit oder wenn du eine Gruppenstunde ganz neu einrichtest,
  • oder es kommen mehrere neue Mitglieder zu einer bereits bestehenden Gruppe hinzu (z.B. nach den Ferien oder nach einem Stufenwechsel).

Auch wenn sich ein Teil der Gruppe bereits kennt (vorher schon befreundet war oder bereits länger gemeinsam Gruppenstunden erlebt), ist ein solcher Zeitpunkt ein Umbruch bzw. ein Neustart für diese Gruppe, die sich nun neu formieren muss.

Kennzeichen

  • Fremdheitsgefühl und Bedürfnis nach Orientierung
  • Unsicherheit; vorsichtiges und eher zurückhaltendes Verhalten der Gruppenmitglieder
  • Wunsch nach Kontakt, Gemeinschaft und dem Gefühl, dazuzugehören
  • Abschätzen der anderen Gruppenmitglieder
  • Die Gruppe orientiert sich stark an der Leitung

Aufgabe der Leitung

  • Sicherheit und Orientierung geben
  • Selbstsicheres, eindeutiges Auftreten
  • Ruhe und Freundlichkeit ausstrahlen
  • Zu allen Gruppenmitgliedern einen Kontakt herstellen
  • Initiative ergreifen, Gespräche anstoßen, Spiele initiieren, motivieren

Tipps

  • Die ersten Gruppenstunden/Tage einer Ferienfreizeit sollten gut vorbereitet sein
  • Gib einen Überblick über den Ablauf/Tag oder die Spiele, die du machen möchtest
  • Natürlich bieten sich Kennlernspiele an
  • Auch Bewegungsspiele sind gut geeignet, um die Anspannung in der Gruppe zu reduzieren
  • Wenn ihr als Gruppe irgendwo neu seid, erkundet das Haus/den Platz/die Umgebung
  • Du kannst auch erste Rituale einführen (z.B. ein bestimmtes Spiel oder ein Gebet zu Beginn) und erste Regeln festlegen.

Machtkampfphase

Nach einiger Zeit des Kennenlernens, schließt sich in der Regel eine Phase des „Machtkampfes“ an. Die Gruppenmitglieder oder zumindest einige Gruppenmitglieder haben (wieder) an Selbstsicherheit gewonnen und zeigen nun ihre Interessen, Wünsche und Bedürfnisse, die sie bisher eher zurückgehalten haben, sehr deutlich. Sie wollen nun herausfinden, wer welche Position in der Gruppe einnimmt und sich ihren Platz/Rolle sichern. (zu Rollen in Gruppen)

Kennzeichen

  • Interessen und Bedürfnisse einzelner treten zu Tage
  • Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten, Konflikten und heftigen Diskussionen
  • Es bilden sich Untergruppen
  • Erste Rollen werden sichtbar
  • Auch die Leitung wird kritisch geprüft und zu Machtproben herausgefordert; die Gruppenmitglieder testen, wie weit sie gehen können

Aufgabe der Leitung

  • Bei Auseinandersetzungen und Diskussionen moderieren/leiten und bei Konflikten ggf. vermitteln
  • Ausloten der Rollenkämpfe, so dass alle ihren Platz/ihre Rolle finden können
  • Achte darauf, dass niemand „untergeht“ und sich alle einbringen können (gerade auch die stilleren, schüchternen Kinder/Jugendlichen)
  • Fördere einen wertschätzenden, respektvollen Umgang miteinander

Tipps

  • Entwickelt gemeinsam in der Gruppe Gruppenregeln
  • Bezieh die Gruppenmitglieder bei der Programmgestaltung/Spielauswahl mit ein
  • Achte auf abwechslungsreiche Spiele, die verschiedene Interessen und Fähigkeiten abdecken, so dass für jede/n etwas dabei ist.
  • Auch Team-/Kooperationsspiele bieten sich an, um den Zusammenhalt und das „Wir-Gefühl“ in der Gruppe zu stärken

Vertrautheitsphase

Wenn sich nach den Auseinandersetzungen in der Machtkampfphase die Beziehungen und Rollen in der Gruppe geklärt haben, entsteht eine hohe Vertrautheit und ein „Wir-Gefühl“ kann wachsen. Stärken und Schwächen der Einzelnen treten in den Hintergrund.

Kennzeichen

  • Das Bedürfnis nach Harmonie ist groß
  • Hohes Zusammengehörigkeitsgefühl
  • Die Beziehungen untereinander sind wichtiger als das Programm
  • Abschottung nach außen (Neuaufnahmen sind schwierig)
  • Gruppen können in dieser Phase zu Überschätzungen neigen
  • Außerdem besteht die Gefahr, dass der Konformitätsdruck so groß wird, dass individuelle Abweichungen von der Gruppe verurteilt werden

Aufgabe der Leitung

  • Gib der Gruppe Raum und Entfaltungsmöglichkeiten
  • Nimm dich als Leitung etwas zurück
  • Achte darauf, dass die Gruppe sich nicht zu sehr selbst überschätzt oder Einzelne in der Gruppe den anderen gegenüber zu dominant werden
  • Achte auch darauf, dass der Konformitätsdruck nicht so groß wird, dass Einzelne sich nicht mehr wohl oder in ihrer Individualität eingeschränkt fühlen
  • Fördere das Austragen von Meinungsverschiedenheiten

Tipps

  • Lass die Gruppe ihre Aktivitäten selbst planen und delegiere Aufgaben und Verantwortung
  • Die Gruppe kann gut Interessens-/Wahlgruppen für bestimmte Angebote/Aufgaben bilden
  • Wettkampfspiele gegen andere Gruppen bieten sich an, da die Stärken/Schwächen innerhalb der Gruppe akzeptiert werden und gemeinsam gejubelt oder getrauert werden kann
  • Auch Vertrauensspiele sind sinnvoll, um das Zusammengehörigkeitsgefühl weiter zu stärken

Differenzierungsphase

Dies ist „die goldene Zeit“ einer Gruppe. Wenn die Vertrautheitsphase positiv verläuft, gelangt die Gruppe in eine Phase, in der jedes Gruppenmitglied in seiner Eigenart und Einzigartigkeit wahrgenommen wird und Selbstbestimmung bei gleichzeitiger Rücksichtnahme auf andere möglich ist. Die Beziehungen, Positionen und Ziele sind klar, die Vertrautheit miteinander groß, so dass die Gruppe sich an ihrem gemeinsamen Ziel orientieren und ins Handeln kommen kann.

Kennzeichen

  • Die Gruppe ist sehr leistungsstark und ausgeglichen
  • Alle Gruppenmitglieder bringen engagiert ihre Begabungen und Talente ein
  • Konflikte können und dürfen offen ausgetragen und idealerweise durch gemeinsame Anstrengungen gelöst werden
  • Es müssen sich nicht alle mögen, aber es herrscht Achtung und Respekt voreinander und die Gruppenmitglieder können gut miteinander umgehen
  • Die Gruppe ist wieder offen für neue Mitglieder

Aufgabe der Leitung

  • Zieh dich als Leitung zurück; Aufgaben und Verantwortung können abgegeben/geteilt werden
  • Hilf und unterstütze die Gruppe bei organisatorischen Fragen oder auf Anfrage und erinnere ggf. an Absprachen
  • Für dich als Leitung ist dies eine recht entspannte Zeit

Tipps

  • Du kannst die Planung/Vorbereitung von (Teilen von) Gruppenstunden an die TeilnehmerInnen abgeben (gerade bei Jugendlichen)
  • Wenn du in dieser Phase mal unvorbereitet zur Gruppenstunde kommst, ist das nicht so schlimm. Ihr könnt vor Ort klären: „Was machen wir heute?“; spontane Aktionen sind möglich und stärken noch das Gruppengefühl
  • Da die Gruppe sehr leistungsstark ist, bietet es sich an, größere Aktionen und Projekte zu planen/durchzuführen
  • Auch können hier Höhepunkte (z.B. das Bergfest in einer Ferienfreizeit) gesetzt werden, die die TeilnehmerInnen vorbereiten

Trennungs- und Abschiedsphase

Jede Gruppe geht irgendwann auch wieder getrennte Wege; z.B. weil eine gemeinsame Kurswoche/ein Ferienlager endet oder weil das Schuljahr zu Ende geht und nach den Ferien ein Teil der Kinder/Jugendlichen die Gruppe wechselt und neue hinzukommen. Manche Gruppen lösen sich auch durch Aufsplitterung auf, weil das Interesse schwindet oder alles erreicht scheint und sich die Gruppenmitglieder nach und nach anderen Aufgaben widmen bzw. neuen Gruppen anschließen.

Kennzeichen

  • Abschied nehmen, Trauer
  • Vielleicht auch Angst vor dem Alleinsein/nicht mehr dazuzugehören
  • Oder auch Verdrängung des Abschieds/der Trennung
  • Neuorientierung jedes einzelnen Gruppenmitglieds (wie geht es ohne die Gruppe weiter? Was erwartet mich in den nächsten Tagen/Wochen…)
  • In Erinnerung schwelgen, häufig etwas wehmütig

Aufgabe der Leitung

  • Gib der Gruppe Zeit und Raum, Abschied zu nehmen und die Trauer auszuleben
  • Gestalte den Abschied bewusst; mach die Trennung/Auflösung der Gruppe zum Thema
  • Leite eine Reflexion des Erlebten an und unterstütze die Gruppenmitglieder darin, Bilanz zu ziehen
  • Zieh auch du Bilanz, wie du als Leitung die Gruppe geführt hast und ob ihr das erreicht habt, was ihr euch als Gruppe vorgenommen habt

Tipps

  • Schwelgt noch einmal gemeinsam in Erinnerungen, schaut euch Fotos oder Videos an und unterhaltet euch über das Erlebte
  • Nehmt euch Zeit für eine gute und ausführliche Reflexion: Wie ist die Aktion gelaufen? (Wie) habt ihr euer Ziel erreicht? Und wie ging es euch als Gruppe dabei? Wie war das Miteinander? Hat sich jeder Einzelne wohlgefühlt und einbringen können? (zu Reflexion)
  • Macht eine Abschiedsfeier: Feiert euch und das, was ihr als Gruppe erreicht habt!
  • Ihr könnt euch auch noch einmal gegenseitig den Rücken stärken: Was ich dir zum Schluss noch sagen möchte/besonders an dir schätze… oder den anderen gute Wünsche mit auf den Weg geben (hier nur Positives den anderen sagen, da Negatives nicht mehr aufgearbeitet werden kann)
  • Tauscht euch über eure Pläne für die Zukunft aus
  • Tauscht ggf. Adressen aus; vielleicht vereinbart ihr sogar eine Wiedersehensfeier in ein paar Wochen/Monaten, z.B. einen gemeinsamen Fotoabend nach einer Ferienfreizeit

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