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Deine Rolle als LeiterIn

Einleitung

Als GruppenleiterIn musst du dich immer auch mit den Wünschen und Erwartungen auseinandersetzen, die andere an dich richten. Gerade im „System Kirche“ gibt es einige Akteure, mit denen du als GruppenleiterIn in Beziehung stehst. Diese Personen oder Gruppen richten ihre Wünsche und Erwartungen in der Regel nicht an dich als Individuum, sondern an dich in deiner Rolle als GruppenleiterIn. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Was ist eine (soziale) Rolle?

Eine soziale Rolle ist ein Bündel von Eigenschaften und Verhaltensmustern, die von einer Person, die eine bestimmte Funktion übernommen hat, erwartet wird.mehr Dabei existiert die Rolle unabhängig vom Individuum, das diese Rolle innehat. Das heißt: Die erwarteten Verhaltensweisen sind mehr oder weniger die gleichen, gleichgültig über welche persönlichen Merkmale und Eigenschaften der/die RolleninhaberIn verfügt (vgl. Zimbardo 1988, S. 723, In: Lexikon Online: „Rolle“). Dennoch kann der oder die RollenträgerIn die Rolle entsprechend seines/ihres persönlichen Charakters ausgestalten.

Was heißt das konkret? Wir wollen dir die Rollen-Theorie anhand des Beispiels „SchülerIn“ genauer erklären: Stell dir einmal die Frage, wie ein/e „ideale/r SchülerIn“ sein sollte. Sicher fallen dir schnell einige Eigenschaften und Verhaltensweisen ein. Er/sie kommt jeden Morgen pünktlich zum Unterricht, macht regelmäßig Hausaufgaben, beteiligt sich am Unterreicht, ist kollegial zu seinen MitschülerInnen usw. All diese Merkmale verbindet man mit der Rolle „SchülerIn“, unabhängig davon, wer diese/r SchülerIn konkret ist. Daher spricht man von Rollenerwartungen. Diese sind nicht immer festgeschrieben und doch kennt man sie mehr oder weniger und weiß, dass man sich an sie halten sollte (bzw. muss). Die Kenntnis der gegenseitigen Rollenerwartungen erleichtert den Umgang miteinander, weil sie das Verhalten des anderen vorhersagbar macht. Erfüllt jemand diese Erwartungen nicht – „fällt sie/er aus der Rolle“ – kann es zu Missverständnissen und Problemen kommen.

Dabei kann sich eine Rolle nur in Beziehung zu anderen Personen(gruppen) ausbilden. Zu jeder Rolle gehört daher mindestens eine Bezugsgruppe: Die Rolle des Schülers/der Schülerin steht in Kontakt zu Eltern, LehrerInnen, MitschülerInnen, FreundInnen usw. – und all diese Bezugsgruppen richten ihre Erwartungen an den Schüler/die Schülerin.

Aber nicht nur andere Bezugsgruppen haben bestimmte Erwartungen an die Rolle, auch der/die RolleninhaberIn selbst knüpft eigene Erwartungen an sich selbst in dieser Rolle. Das können sowohl Erwartungen sein, die sie/er von der Gesellschaft übernommen hat und denen sie/er nun entsprechen möchte; das können aber auch andere Erwartungen sein, die mit der eigenen Motivation und Persönlichkeit zu tun haben.

Eine Person hat aber nicht nur eine einzige Rolle inne. Jeder Mensch übernimmt im Laufe seines Lebens zahlreiche Rollen; viele werden ihm von der Gesellschaft (automatisch) zugewiesen, andere übernimmt er freiwillig. Viele Rollen übernimmt man für eine gewisse Zeit, andere behält man (mehr oder weniger) ein Leben lang. Rollen-Beispiele sind: Mädchen/Junge, Schülerin oder Student, Tochter/Sohn, Freund, Katholikin, Deutscher oder Migrantin, Balletttänzer oder Basketballspielerin, GruppenleiterIn und viele mehr.

Der Begriff „soziale Rolle“ stammt aus der Soziologie und wurde in Deutschland von Ralf Dahrendorf geprägt, der ihn 1958 in seinem Aufsatz „Homo Sociologicus“ – der Mensch als Träger sozial vorgeformter Rollen – eingeführt hat.

Rollenkonflikte

Wenn diese vielen Erwartungen einander widersprechen und unvereinbar sind, kommt es zu Rollenkonflikten. Man unterscheidet dabei zwischen zwei Arten:

  • Man spricht von einem Inter-Rollenkonflikt (= zwischen) aufgrund widersprüchlicher Erwartungen an die verschiedenen Rollen, die eine Person innehat. So möchtest du als SchülerIn z.B. nachmittags deine Hausaufgaben gut erledigen, als GruppenleiterIn deine freie Zeit aber auch für die Vorbereitung und Durchführung der Gruppenstunde nutzen – beides parallel klappt nicht (immer).
  • Dagegen entsteht ein Intra-Rollenkonflikt (= innerhalb) aufgrund widersprüchlicher Erwartungen an eine einzige Rolle. Diese Erwartungen können von verschiedenen Bezugsgruppen an die Rolle herangetragen werden oder von dem/der RollenträgerIn selbst kommen. So bittet z.B. der Pfarrgemeinderat dich als GruppenleiterIn, in der Gruppe für den Adventsverkauf Kekse zu backen, aber die Gruppenkinder haben gar keine Lust dazu. Und du selbst würdest viel lieber für das nächste Ferienlager Spenden sammeln, anstatt für die Renovierung der Orgel in der Gemeinde.

Jede/r GruppenleiterIn gerät zwangsläufig in solche Konflikte und entscheidet entsprechend ihrer/seiner Persönlichkeit und je nach Situation, wie sie/er damit umgeht. Mögliche Lösungsstrategien sind:

  • Prioritätensetzung: Die Person entscheidet, welche Rolle/Aufgabe ihr wichtiger ist, welchen Erwartungen sie eher gerecht werden möchte bzw. welche Folgen sie eher in Kauf nehmen will, wenn sie den Erwartungen nicht entspricht.
  • Kompromissfindung: Die Person versucht beiden Rollen(erwartungen) halbwegs gerecht zu werden und erfüllt die (fremden und eigenen) Erwartungen nur zum Teil.
  • Rückzug: Die Person erfüllt keine der Erwartungen und zieht sich zurück, weil eine Entscheidungsfindung sie überfordert.
  • „Aufopferung“: Die Person legt alles daran, beiden Rollen gerecht zu werden, auch wenn das ihre zeitlichen und persönlichen Grenzen sprengt.

Da jede/r solche Konflikte unterschiedlich löst, kann es gerade in Leitungsteams deshalb immer wieder zu Spannungen kommen: Wichtig ist daher:

  • dass du dir darüber klar wirst, dass du nicht immer alle Erwartungen und Wünsche erfüllen kannst (und musst). Du musst Prioritäten setzen und Entscheidungen treffen, die du gut vertreten kannst – vor dir selbst und vor anderen
  • und dass ihr euch im Leitungsteam darüber austauscht, um das eigene Verhalten für andere nachvollziehbar zu machen und so möglichen Frust im Team vorzubeugen oder abzubauen (Konflikte im Team)

Zwischen Rolle und Person

Das alles zeigt schon: Das Verhalten einer Person in einer Rolle ist nicht vorherbestimmt. Jedes Individuum handelt in seiner Rolle anders, reagiert in je spezifischer Weise auf bestimmte Rollenerwartungen und wählt aus rollenspezifischen Verhaltensmustern aus – oder durchbricht sie. Dabei können ganz unterschiedliche Handlungsstrategien zum Erfolg führen. So kann „der/die AbschreiberIn“ seinen/ihren Schulabschluss genauso gut bestehen wie „der/die StreberIn“. Der/die RolleninhaberIn kann sich auch (bewusst) entscheiden, die Rollenerwartungen nicht zu erfüllen und mögliche negative Reaktionen in Kauf zu nehmen. Man denke an den/die „aufmüpfige/n SchülerIn“, der/die ständig zu spät kommt, nie ihre/seine Aufgaben erledigt und schließlich schlechte Noten bekommt.

Dieses Rollenhandeln, also wie ein Individuum die Rolle ausfüllt, hängt einerseits von der eigenen Persönlichkeit ab und ist andererseits an äußere Umstände, geltende Normen, Erwartungen und Reaktionen Dritter gekoppelt.

Wichtig ist, dass du eine gute Balance zwischen diesen beiden Seiten entwickelst: Es geht nicht darum, dich als Person in den Hintergrund zu stellen, um allen Anforderungen an eine/n GruppenleiterIn gerecht zu werden und genauso wenig solltest du nur tun, was du willst und die Erwartungen deiner Bezugsgruppen missachten. Wenn du dich und dein Umfeld gut kennst, kannst du gezielt entscheiden, welche Erwartungen du erfüllen willst und wo deine Grenzen liegen bzw. du die Rolle anders, neu, konstruktiv und kreativ ausfüllen willst.

Literatur

Dahrendorf, Ralf: Homo Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle (16. Auflage) VS-Verlag, Wiesbaden, 2006

Lexikon Online: „Rolle“, http://lexikon.stangl.eu/606/rolle/ (letzter Abruf: 01.09.2015)

Röhl, Klaus F.: Soziale Rollen und Gruppen. In: Ders.: Rechtssoziologie. Verlag Carl Heymanns, Köln, 1987; http://www.ruhr-uni-bochum.de/rsozinfo/ (letzter Abruf: 01.09.2015)

Schäfers, Bernard: Soziales Handeln und seine Grundlagen: Normen, Werte, Sinn. In: Korte/ Schäfers (Hg.): Einführung in die Hauptbegriffe der Soziologie. (6. Auflage) Verlag Leske+Budrich, Opladen, 2002

Wikipedia: „Homo Sociologicus“, https://de.wikipedia.org/wiki/Homo_sociologicus (letzter Abruf: 01.09.2015)

Wikipedia: „Soziale Rolle“, https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Rolle (letzter Abruf: 01.09.2015)

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